Konfuzius: |
Sage es mir - Ich werde es vergessen! Erkläre es mir - Ich werde mich erinnern! Lass es mich selber tun - Ich werde verstehen! |
Lernen ist ein häufig benutzter Begriff. Häufig stolpert man über
ihn, meistens verbinden wir jedoch Schule oder Ausbildung mit diesem Wort. Was
ist aber nun 'Lernen'? Die Aneignung von theoretischem Wissen zählt sicherlich
dazu, auch der Erwerb von motorischen Fähigkeiten.
Der Alltagsgebrauch des Wortes 'Lernen' zielt primär in Richtung 'Inhalte
lernen' ab. Unter Inhalte fallen dabei unter anderem Wissen, Fähigkeiten,
Fertigkeiten aber auch Einstellungen.
Neben Inhalten können beim Lernen auch andere Vorgänge eine Rolle spielen. In
der später vorgestellten Definition
"Lernen bedeutet eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens aufgrund von
individuellen Erfahrungen in bzw. mit der Umwelt"
wird von Veränderung gesprochen, wobei eine Veränderung nicht nur im Erlernen
von Inhalten besteht. Eine Verhaltensänderung kann auch durch Lernprozesse
zustande kommen, in denen Verlernen oder gar Problemlösungsprozesse im
Mittelpunkt stehen.
Lernen beeinflusst uns jeden Tag und in ziemlich jeder Situation. Ich möchte
z.B. zum Kühlschrank gehen, um ein Getränk zu holen. Da ich mich am Fuß verletzt habe,
bin auf meine Gehhilfen (auch 'Krücken') angewiesen. Aufgrund meiner
bisherigen Erfahrungen weiß ich genau, wie ich mit dieser Gerätschaft
umzugehen habe, um möglichst schmerzfrei zum Kühlschrank und zurück zu
gelangen.
Ich habe demnach gelernt und ziehe aus meinen Erfahrungen entsprechende
Konsequenzen.
Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, wie häufig wir in der
Realität lernen bzw. wie oft wir auf Erlerntes zurückgreifen:
- Sie verfügen über besondere (nicht angeborene) Fähigkeiten? (z.B. Mit Messer und
Gabel umgehen? Autofahren? Schreiben? Sprechen? ...)
- Sie gehen einem Hobby nach?
- Sie haben Ängste?
- Sie können sich in der Gesellschaft zurechtfinden bzw. sich integrieren?
- Sie verändern Ihr Verhalten aufgrund von Erfahrungen? (z.B. Montags eher
aufstehen, da mehr Verkehr herrscht?)
In den verschiedensten Arbeitsfeldern ist es notwendig, über ein fundierte Kenntnisse der Lernpsychologie zu verfügen: Beim Umlernen von abweichenden Verhalten (Exkurs: Psychotherapeutische Verfahren), in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen (z.B. im Kindergarten oder Heimen), oder in der Erwachsenenbildung (z.B. Fortbildungen). Selbst die Betriebswirtschaftslehre hat den Begriff des Lernens für sich entdeckt.
Erziehung, Veränderung, Manipulation, Wissenserwerb, Einstellung, Erfahrung, Einsicht - all diese Begriffe beruhen auf Lernprozessen.
Was
ist Lernen?
"Zu den Aufgaben des Lernpsychologen gehört die Aufdeckung jener
Bedingungen, auf die eine Verhaltensveränderung zurückzuführen ist." Mietzel
(1998 b, 159)
Begriffsdefinitionen
'Lernen'
"Das Wort "Lernen" geht auf die gotische Bezeichnung für "ich weiß" (lais) und das indogermanische Wort für "gehen" (lis) zurück (Wasserzieher, 1974). Die Herkunft des Wortes deutet bereits darauf hin, dass Lernen ein Prozess ist, bei dem man einen Weg zurücklegt und dabei zu Wissen gelangt." Mielke (2001, 11)
„Lernen. In der Geschichte des abendl. Denkens prägten sich relativ früh zwei (konkurrierende) Auffassungen von L. aus. Für Platon bedeutet L. Wiedererinnerung, und zwar der Ideen, die die Seele immer schon in sich trägt und die anlässlich konkreter Sinneseindrücke reaktiviert werden. ... Für Aristoteles ist die Seele eine tabula rasa (eine leere Tafel), auf die Sinneseindrücke eingetragen werden; L. bedeutet so gesehen, Aufnahme und Speicherung von Sinnesdaten. Diese Auffassung läßt sich über Locke, Hume, den englischen Empirismus , den Behaviorismus bis zu gegenwärtigen Konditionierungstheorien verfolgen“ Böhm (2000, 342).
Lernen: "das Aneignen von Wissen und Kenntnissen bzw. das Einprägen in das Gedächtnis. Das L. beinhaltet v. a. auch den Vorgang, im Laufe der Zeit durch Erfahrungen, Einsichten o. Ä. zu Einstellungen und Verhaltensweisen zu gelangen, die von Bewusstsein und Bewusstheit bestimmt sind." LexiROM (1999)
„Unter Lernen verstehen wir alle nicht direkt zu beobachtenden Vorgänge in einem Organismus, vor allem in seinem zentralen Nervensystem (Gehirn), die durch Erfahrung (aber nicht durch Reifung, Ermüdung, Drogen o.ä.) bedingt sind und eine relativ dauerhafte Veränderung bzw. Erweiterung des Verhaltensrepertoires zur Folge haben“ Krüger & Helsper (2002, 97).
Lernen: "durch Erfahrung entstandene Verhaltensänderungen und -möglichkeiten, die Organismen befähigen, aufgrund früherer und weiterer Erfahrungen situationsangemessen zu reagieren. [...] Menschl. L. ist eine überwiegend einsichtige, aktive, sozial vermittelte Aneignung von Kenntnissen." Meyers Lexikonverlag (1997, 529)
"Der Vorgang des Lernens ist vielmehr grundlegend für jede Art von aktueller Anpassung, die sich als Resultat von Erfahrungen bildet." Krech & Crutchfield (1992, Band 3, S. 7)
Nach Zimbardo kann man "Lernen als einen Prozeß definieren, der zu relativ stabilen Veränderungen im verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut." Zimbardo (1992, 227)
"Lernen ist der Prozeß, der zu einer relativ stabilen Veränderung von Reiz-Reaktions-Beziehungen führt; er ist eine Folge der Interaktion des Organismus mit seiner Umgebung mittels seiner Sinnesorgane." Zimbardo & Gerrig (1999, 229)
"Lernen läßt sich an den Verbesserungen der Leistungen ablesen." Zimbardo (1992, 227)
"Unter Lernen versteht man die hypothetischen Prozesse, die den Verhaltensänderungen durch Erfahrung entsprechen." Langfeldt (1996, 102)
"Lernen ist das Aufnehmen, Verarbeiten und Umsetzen von Informationen. Lernen ist ein lebenslanger Prozeß." Schilling (1997, 159)
"Unter Lernen verstehen wir den Erwerb, die Veränderung oder den Abbau von Erlebens- und Verhaltensweisen durch bestimmte Umwelterfahrungen." Schmitt (1999 a, 1)
"Lernen umfaßt alle Verhaltensänderungen, die aufgrund von Erfahrungen zustandekommen. Solche Änderungen schließen nicht nur die Aneignung neuer Informationen ein, sondern auch die Veränderungen des Verhaltens, deren Ursachen unbekannt sind. Andererseits sind in dieser Definition Veränderungen ausgeschlossen, die aufgrund von Reifevorgängen (genetisch vorbestimmten Änderungen), künstlichen chemischen Änderungen wie z. B. Konsequenzen der Einnahme von Drogen, oder vorübergehenden Veränderungen, z. B. durch Ermüdung, entstehen." Lefrancois (1994, 3 f)
"Lernen ist der Vorgang, durch den eine Aktivität im Gefolge von Reaktionen des Organismus auf eine Umweltsituation entsteht oder verändert wird. Dies gilt jedoch nur, wenn sich die Art der Aktivitätsänderung nicht auf der Grundlage angeborener Reaktionstendenzen, von Reifung oder von zeitweiligen organischen Zuständen (z. B. Ermüdung, Drogen usw.) erklären läßt." Hilgard & Bower (1973, 16)
"Einige Definitionen des Lernens umgehen die mit der Leistung verbundenen Probleme, indem sie das Lernen als eine Veränderung im Zentralnervensystem begreifen." Hilgard & Bower (1973, 19)
"Offenbar lernen wir einige Fertigkeiten blind und automatisch, während wir um das Verständnis mancher Situation hart ringen müssen, um sie dann schließlich meistern zu können." Hilgard & Bower (1973, 22)
"In unserer modernen Gesellschaft erfolgen [...] Lernprozesse vor allem in
zwei Formen:
a) Durch tätige Anteilnahme an dem Leben sozialer Gemeinschaften (Familie,
Freundeskreis, Gleichaltrigengruppe);
b) Durch gezielte Eingriffe („Interventionen“) von erwachsenen Berufspädagogen
(Kindergärtner, Lehrer, Sozialpädagogen, Freizeitpädagogen)“
Giesecke (2001, 14).
Definition 'Lernen' |
Lernen beschreibt den Prozess zum Erwerb von Erlebens- und
Verhaltensweisen, welche durch eine Interaktion mit der
Umwelt zustande kommen. Lernen kann auch zur Unterdrückung oder zu Veränderungen von Erlebens- und Verhaltensweisen führen, wenn diese keine Befriedigung (egal welcher Art) bringen. Kurzum: Lernen bedeutet eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens aufgrund von individuellen Erfahrungen in bzw. mit der Umwelt. |
Abbildung: Vergessenskurve nach Ebbinghaus
Begriffsdefinitionen
'Lerntheorien'
"Die von der Psychologie entwickelten Theorien zur systematischen Erklärung von nicht beobachtbaren Lernprozessen werden Lerntheorien, oftmals auch Verhaltenstheorien genannt." Hobmair (1996, 135)
"Lerntheorien (oder Verhaltenstheorien) sind Versuche, die Kenntnisse über das Lernen zu systematisieren und zusammenzufassen." Lefrancois (1994, 8)
An dem Begriff Lerntheorien lässt sich bereits der Theorienpluralismus erkennen: Es gibt nicht eine allgemeingültige Lerntheorie, sondern verschiedene Ansätze, die im folgenden dargelegt werden.
Arten
des Lernens
Lerntheorien lassen sich in zwei Hauptgruppen einteilen:
"Der wesentliche Unterschied zwischen dem kognitiven und dem behavioristischen Ansatz besteht darin, daß die kognitiven Psychologen den Reizen und Reaktionen keinerlei Bedeutung beimessen, sondern sich vielmehr mit Organisationsprozessen, Informationsverarbeitung und Entscheidungsvorgängen befassen." Lefrancois (1994, 15)